Hier sitzen ja lauter angehende Kaufleute

Beim Handelskonzern haben auch Hauptschüler eine Zukunft/ „Freundlichkeit und Leistung wichtiger als Abschluss“

Sarstedt (ph). „Jetzt machen wir mal Pause“, ruft Sebastian Saul, „und zwar acht Minuten“. Die Schüler des Hauptschulzweiges der Oberschule gucken erst etwas irritiert, die meisten sind aber nach exakt acht Minuten wieder da. Schließlich kam die Anweisung nicht nur von einem Trainer, der kein Blatt vor den Mund nimmt, sie ruft sie auch zurück zu einem interessanten Termin am Schulvormittag. Dorothea Wiellowicz erklärt ihnen, was man sein und tun muss, um es bei Rewe zu etwas zu bringen.

Erst mal kann man auch Hauptschüler sein, was durchaus nicht mehr selbstverständlich ist. Man muss nur Leistungen bringen und Ideen zeigen. Das sagt sie nicht nur so, das demonstriert sie auch. “Bei uns ist es üblich, dass sie Azubis mal eine Woche lang den Markt leiten. Was würdet ihr dann tun, um Kunden ins Geschäft zu locken?“ Sofort sind die Finger oben. In der Osterzeit könne man Kaninchen im Eingangsbereich halten, man kann den Markt neu anstreichen, „vielleicht in Schwarz und Neongrün?“, man könnte zum italienischen Wein im Regal die passende Musik aus dem Lautsprecher liefern.

Oder ein Promi-Fußballer kommt und signiert im Eingang. Die Hüpfburg vor dem Eingang wird ebenso genannt wie Pfeile aus dem Boden, die zu Sonderangeboten führen.

Die Rewe-Mitarbeiterin aus der Personalentwicklung wundert sich. „Hier sitzen ja lauter angehende Kaufleute“, sagt sie und bescheinigt den Schülern aus den Klassen 9 und 19 kaufmännisches Denken nah an der Praxis.

Und ermuntert die Schüler, es doch mal bei Rewe zu versuchen. Sie betont, dass man dort auch als Hauptschüler Karrierechancen habe. Man rekrutiere einen Großteil der Führungskräfte aus eigenen Mitarbeitern. „Ein Viertel unserer Marktleiter ist unter 30.“ Sie wird noch deutlicher: „Wenn ich die Wahl habe zwischen einem Hauptschüler mit guten Noten in Mathe und Deutsch, mit positiven Bemerkungen zum Arbeitsverhalten und ohne unentschuldigte Fehlstunden und einem Gymnasiasten mit einem Durchschnitt von 4, Fehlstunden und schlechtem Arbeitsverhalten – was meint ihr, wen ich gebrauchen kann?“ Für sie zählten nicht Schulabschlüsse, sondern die Leistung, also Ideenreichtum, Freundlichkeit und Teamfähigkeit. Man schreibe Weiterbildung groß, „92 Prozent unserer Azubis bestehen die Abschlussprüfung.“ Und man gebe jedem Azubi eine Job-Garantie. „Wer bei der Abschlussprüfung, in den Seminaren und bei der Beurteilung im Markt gut ist, der wird übernommen, und zwar als Vollzeitkraft mit Tariflohn.“

Das haben die Schüler nicht gewusst, die zuvor den Handelsriesen vorgestellt hatten. Teil dieser Berufsfindungs-Aktion ist nämlich, dass Schüler selbst ein Firmenportrait vorbereiten und dies dem „echten“ Firmenvertreter vorstellen. Neben Rewe nahmen die Post, das Caritas-Altenheim Heilig Geist und die Hannoversche Metallbaufirma Troester an dem Projekt teil.

Organisiert hat das alles Christiane Schott-Plein, eine Labora-Mitarbeiterin, die im Rahmen der Schul-Sozialarbeit die Berufsorientierung am Hauptschulbereich der Oberschule betreut. Sie konnte zwischendurch ein dickes Lob entgegennehmen. „Eine tolle Aktion, die Klasse ist gut vorbereitet“, sagte Sebastian Saul, Leiter Niedersachsen-Süd der Firma UP-Consulting, der als Trainer im Auftrag des Kultusministeriums und der Bundesanstalt für Arbeit unterwegs ist.

Saul berichtet im Übrigen, dass auch er in Sarstedt etwas kennengelernt hat, was er anderen Schülern für Präsentationen nur dringend weiterempfehlen kann. Beim letzten Durchgang verwendeten die Schüler nämlich Merkzettel für ihren Vortrag, auf deren Rückseite die das Logo der jeweils vorgestellten Firma abgedruckt hatten. Das war dann während des Vortrags für die Zuhörer gut sichtbar. Saul: „Klasse Idee“.